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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Schwindrazheim, Oskar: Eigen-Modernes - zukunftversprechendes im modernen Stil, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0190

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August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite sZß.

Schriften erscheinen, kunstgewerbliche Arbeiten dieser Richtung
werden versuchsweise ausgeführt usw.

Schon einmal, im zweiten Viertel unseres Jahrhunderts,
hatten wir das Schauspiel, daß die Natur, insbesondere die
Pflanzenwelt in weit stärkerem Maße zur Grnamentirung herbei-
gezogen wurde, als je vorher, ja man meinte mit ausschließlicher
Naturnachahmung auszukommen, indem man die Aufgaben der
Runst und des Aunstgewerbes verwechselte. Der damalige Versuch
schlug eben deshalb fehl, weil alsbald sich die in Folge dieser
Verkennung der Sachlage entstehenden Schwächen eines solchen
Vorgehens zeigten, die um so klarer ins Licht traten, wenn man
damit die Erzeugnisse ehemaliger Stilarten verglich. — Der
Naturalismus ging
freilich damals nicht
ganz unter, er drängte
sich vielmehr in alle
Modestile ein, jetzt
aber tritt er wieder be-
stimmt mit der Absicht
aus, alleinherrschende
Grundlage für das
Grnament werden zu
wollen, durch das Bei-
spiel Japans und Eng-
lands gestärkt. Sünden,
wie sie beim ersten An-
sturm des Naturalis-
mus gemacht werden
mußten in Folge des
durch die lange Ariegs-
zeit hervorgerufenen
Mangels an künstle-
rischem Geschmack, kön-
nen heute, wo wir eine
gründliche Schule durch-
gemacht haben, nicht
mehr Vorkommen, we-
nigstens nicht in einem
Maße, der die Ent-
wickelung zerstören
könnte. Was wir heute
in dieser Richtung er-
zeugen sehen, trägt alles
die Spuren dieser Lehr-
zeit unseres Runstge-
werbes in gutem Sinne
an sich — einerlei, ob
wir Arbeiten sogenannt
strenger Richtung oder
solche rein naturalist-
ischer Art ansehen. —

Wie es oft so geht, ist auch in Bezug auf das geplante, in
engerem Zusammenhangs mit der Natur stehende Grnament im
Voraus ein Streit entstanden eben zwischen den Anhängern der
oben angedeuteten zwei Richtungen und denen, die auf den
Dazwischen-Stufen stehen. Solange der Streit dazu dient, die
Sache in sich zu klären und zu vervollkommnen, ist er ja ganz
gut, er läßt auf frisches, individuelles Leben hoffen, ganz anders
als bisher, wo man sich unter Aufgeben seiner Individualität
bedingungslos dem Modegötzen eines Stiles unterwarf.

Sowie der Streit aber möglicherweise die Sache selbst gefährden
kann, ist er bedauernswerth und muß man ihm entgegentreten,
indem man auf das die Streitenden Einende hinweist. Getrennt
marschiren, vereint schlagen — das ist das richtige Beiwort für
die, die sich in den Dienst dieser Bewegung gestellt haben.

Was ist es auch, warum man sich streitet: ob „stilisirt"
werden darf oder soll, oder überhaupt nicht? Das unglückliche
Wort „stilisiren"! Die Einen lassen es gleichbedeutend sein mit
„anpassen", die Anderen direkt mit „entstellen, naturunähnlich
machen". Eigentlich soll ja „ein Motiv stilisiren" bedeuten, es
einem bestimmtem Zwecke anpassen, es für dieses oder jenes
Material, diese oder jene Technik, diesen oder jenen Zweck ent-
sprechend umgestalten — ein Verfahren, das sozusagen der Natur
völlig abgelauscht ist, denn auch diese paßt ja ihre Formen ver-
änderten Verhältnissen an, wie uns Darwin erkennen gelehrt hat.
Also durchaus kein unnatürliches Verfahren, wie die Gegner
sagen I Freilich gibt es ja Leute, die auch an Grten „stilisiren",

wo es nicht nöthig wäre

— das liegt dann an
ihrerIndividualität, die
gerade in dieser Gr-
namentirerei Besseres
leisten kann, als in der
mehr naturalistischen,
der die Gegner huldigen

— und wer wollte ihnen
da ihr Vorgehen ver-
denken? Handelt sich's
im Runstgewerbe doch
überhaupt gar nicht um
Naturdarstellung, son-
dern im Grunde um
die Herstellung eines
Gegenstandes, zu dessen
Schmuck wir alsdann
die Natur heranziehen
können.

Es wäre außer-
ordentlich wünschens-
werth, wenn die Strei-
tenden sich wenigstens
so weit einig wären,
daß sie eine nach Außen
hin festgeschlossene Ge-
sellschaft darstellten,
deren Devise lauten
könnte: Naturstudium
als Grundlage für eine
eigen - moderne Zier-
kunst! Auf diesem Ge-
danken stehen sie ja alle,
und er enthält grund-
legender , fruchtbarer,
zukunftverheißender
Reime ja genügend, er
setzt die Grundlage einer
frischen Naturanschauung an Stelle des abgewirthschafteten, todten
Grnaments vergangener Zeiten, will also allgemein verständliche
Formen an Stelle unverständlich gewordener, er will eine eigene
zeitgemäß-moderne Auffassung an Stelle etwa einer Unterordnung
dieses Naturstudiums unter die Auffassung vergangener oder
fremder Stilarten, er will endlich freien Raum für verschiedene
Individualitäten I

Sehen wir uns weiter nach Eigen-Modernem um. Da finden
wir ein immer zunehmendes Interesse an deutscher künstlerischer
Eigenart und daraus hervorgehend Versuche, die typisch deutsche
Eigenart, wie sie frühere Runstwerke zeigen, auch in neuen Arbeiten
zu betonen. Stolz bauen wir auf ausländischen Ausstellungen
ein „deutsches Haus" auf, das die karakteristischen Merkmale
unserer nationalen Architektur aufweist. (Schluß im zweite» s°g-n.)

Abbildung Nr. sso. Vorplatz im Fembo-tsause, Burgstraße; Besitzer ls. Lechmann.
 
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